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Notizen aus Leipzig

15. TTIP Runde

7. Oktober 2016 Gepostet von Unknown 0 Kommentare
Die 15. Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen TTIP geht in New York zu Ende. Hauptgegenstand der Gespräche sind Regulierungsfragen. Die seit über drei Jahren andauernden Verhandlungen sind in Verzug, ihr erfolgreicher Abschluss ist fraglich.

In der Maiausgabe der Wirtschaftszeitung habe ich dazu geschrieben:

Die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands und haben im vergangenen Jahr Frankreich, den bisher wichtigsten Partner, überholt. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP besonders interessant. TTIP ist ein derzeit nahezu geheim zwischen der EU und den USA ausgehandeltes Handels- und Investitionsschutzabkommen, das Hemmnisse im transatlantischen Handel abbauen und grenzüberschreitende Investitionen ausweiten soll. TTIP soll Bürgern wie Unternehmen Vorteile bringen, und zwar durch gegenseitige Öffnung der Märkte, Bürokratieabbau beim Export sowie neue Vorschriften, die Einfuhren, Ausfuhren und Auslandsinvestitionen vereinfachen und für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Kritiker befürchten dagegen vor allem ein Absenken europäischer sozialer, ökologischer und kultureller Standards, da diese als Handelshemmnisse eingeschätzt werden könnten. Auch die Demokratie könnte mit einigen Vereinbarungen untergraben werden, da das Abkommen Auswirkungen auf alle Politikbereiche von der Kommunalpolitik über die Bildung bis zur Kultur haben wird. Auch die Frage, auf welche Weise Investoren künftig ihre Rechte einfordern können, wenn sie sich diskriminiert fühlen – im Gespräch sind externe Schiedsgerichte außerhalb der öffentlichen Rechtsprechung – wird kritisch beurteilt.
2016 treten die Verhandlungen nun in eine entscheidende Phase. In seinem letzten Statement nach der zwölften Verhandlungsrunde am 12. Februar hat EU-Chefverhandler Ignacio García Bercero aber dennoch lediglich darauf hingewiesen, dass die Verhandlungen Fortschritte machen und mit einem Abschluss noch in diesem Jahr gerechnet wird. Das ist nicht überraschend, will sich doch der derzeitige US-Präsident Barack Obama mit dem Abschluss als seinem politischen Erbe verabschieden. Nicht nur aus diesem Grund will er die diesjährige Hannovermesse vom 25. bis zum 29. April nutzen, um für das Abkommen zu werben. „Er ist vielleicht unsere letzte Chance, dass wir TTIP noch umgesetzt bekommen“, hofft daher auch Deutschlands mächtigster Maschinenbau-Lobbyist Reinhold Festge, der Vorsitzende des VDMA. Doch wenn das Abkommen tatsächlich in diesem Jahr abgeschlossen werden soll, muss die Taktung der Verhandlungen deutlich zunehmen. Ist das realistisch? Bei vielen Themen besteht noch erheblicher Verhandlungsbedarf: Schiedsgerichte, Zugang zu öffentlichen Aufträgen und mehr. Einige Experten sehen das Abkommen in der „stabilen Seitenlage“, für die Gegner ist es gar schon „tot“.
Laut bisherigem Stand könnte durch das Abkommen ein Großteil der Importzölle fallen. Allerdings ist bereits heute mehr als die Hälfte des Handelsaufkommens zwischen der EU und den USA zollfrei. Die übrigen Zölle sind im Schnitt äußerst niedrig: Sie liegen bei etwa zwei Prozent. Doch mit dem Abkommen sollen nun 97 Prozent aller Zölle fallen. Da es keine offiziellen Bekanntmachungen gibt, hat das Recherchezentrum Correctiv kürzlich eine detaillierte Liste veröffentlicht, aus der die heute geltenden Zollregeln und das Angebot der Europäer hervorgehen. Dem Bericht zufolge verbindet die EU damit vor allem die Forderung, dass sich der amerikanische Markt auch für öffentliche Aufträge öffnet. Dann könnten europäische Baukonzerne auch öffentliche Bauprojekte übernehmen oder europäische Automobilkonzerne öffentliche Einrichtungen beliefern. Sollte dagegen auch der komplette Agrarmarkt geöffnet werden, könnte es für europäische Bauern eng werden. Der Bauernverband ist aber dennoch offen. „Der Bayerische Bauernverband setzt auf den Schutz der vorhandenen Standards in der EU und die Nutzung von Marktchancen“, sagt Josef Wittmann. Befremdlich für ihn ist die mangelnde Transparenz. Tatsächlich ist bisher nur ein sehr kleiner Kreis in die Verhandlungen involviert. Die Verhandler, die Regierungen, der US-Kongress, das EU-Parlament und die etwa 600 „Handelsberater“ in den USA. Erst seit kurzem dürfen die rund 630 Bundestagsabgeordneten unter Aufsicht die TTIP-Akten einsehen. Anton Hofreiter, der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, sagte danach: „Ich kann nur so viel sagen: Meine Skepsis ist absolut bestätigt worden. Sie ist sogar noch deutlich größer. Das Hochproblematische ist allerdings, dass ich Ihnen nichts darüber berichten darf.“ Da die Auswirkungen alle angehen, fordert er daher eine transparente öffentliche Debatte.
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Unknown
Liest gern und viel und schreibt auch darüber.

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