In der Maiausgabe der Wirtschaftszeitung habe ich dazu geschrieben:
Die USA sind der wichtigste
Handelspartner Deutschlands und haben im vergangenen Jahr Frankreich,
den bisher wichtigsten Partner, überholt. Diese Entwicklung ist vor
dem Hintergrund der Verhandlungen über das transatlantische
Freihandelsabkommen TTIP besonders interessant. TTIP ist ein derzeit
nahezu geheim zwischen der EU und den USA ausgehandeltes Handels- und
Investitionsschutzabkommen, das Hemmnisse im transatlantischen Handel
abbauen und grenzüberschreitende Investitionen ausweiten soll. TTIP
soll Bürgern wie Unternehmen Vorteile bringen, und zwar durch
gegenseitige Öffnung der Märkte, Bürokratieabbau beim Export sowie
neue Vorschriften, die Einfuhren, Ausfuhren und Auslandsinvestitionen
vereinfachen und für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Kritiker befürchten dagegen vor allem
ein Absenken europäischer sozialer, ökologischer und kultureller
Standards, da diese als Handelshemmnisse eingeschätzt werden
könnten. Auch die Demokratie könnte mit einigen Vereinbarungen
untergraben werden, da das Abkommen Auswirkungen auf alle
Politikbereiche von der Kommunalpolitik über die Bildung bis zur
Kultur haben wird. Auch die Frage, auf welche Weise Investoren
künftig ihre Rechte einfordern können, wenn sie sich diskriminiert
fühlen – im Gespräch sind externe Schiedsgerichte außerhalb der
öffentlichen Rechtsprechung – wird kritisch beurteilt.
2016 treten die Verhandlungen nun in
eine entscheidende Phase. In seinem letzten Statement nach der
zwölften Verhandlungsrunde am 12. Februar hat EU-Chefverhandler
Ignacio García Bercero aber dennoch lediglich darauf hingewiesen,
dass die Verhandlungen Fortschritte machen und mit einem Abschluss
noch in diesem Jahr gerechnet wird. Das ist nicht überraschend, will
sich doch der derzeitige US-Präsident Barack Obama mit dem Abschluss
als seinem politischen Erbe verabschieden. Nicht nur aus diesem Grund
will er die diesjährige Hannovermesse vom 25. bis zum 29. April
nutzen, um für das Abkommen zu werben. „Er ist vielleicht unsere
letzte Chance, dass wir TTIP noch umgesetzt bekommen“, hofft daher
auch Deutschlands mächtigster Maschinenbau-Lobbyist Reinhold Festge,
der Vorsitzende des VDMA. Doch wenn das Abkommen tatsächlich in
diesem Jahr abgeschlossen werden soll, muss die Taktung der
Verhandlungen deutlich zunehmen. Ist das realistisch? Bei vielen
Themen besteht noch erheblicher Verhandlungsbedarf: Schiedsgerichte,
Zugang zu öffentlichen Aufträgen und mehr. Einige Experten sehen
das Abkommen in der „stabilen Seitenlage“, für die Gegner ist es
gar schon „tot“.
Laut bisherigem Stand könnte durch das
Abkommen ein Großteil der Importzölle fallen. Allerdings ist
bereits heute mehr als die Hälfte des Handelsaufkommens zwischen der
EU und den USA zollfrei. Die übrigen Zölle sind im Schnitt äußerst
niedrig: Sie liegen bei etwa zwei Prozent. Doch mit dem Abkommen
sollen nun 97 Prozent aller Zölle fallen. Da es keine offiziellen
Bekanntmachungen gibt, hat das Recherchezentrum Correctiv kürzlich
eine detaillierte Liste veröffentlicht, aus der die heute geltenden
Zollregeln und das Angebot der Europäer hervorgehen. Dem Bericht
zufolge verbindet die EU damit vor allem die Forderung, dass sich der
amerikanische Markt auch für öffentliche Aufträge öffnet. Dann
könnten europäische Baukonzerne auch öffentliche Bauprojekte
übernehmen oder europäische Automobilkonzerne öffentliche
Einrichtungen beliefern. Sollte dagegen auch der komplette Agrarmarkt
geöffnet werden, könnte es für europäische Bauern eng werden. Der
Bauernverband ist aber dennoch offen. „Der Bayerische Bauernverband
setzt auf den Schutz der vorhandenen Standards in der EU und die
Nutzung von Marktchancen“, sagt Josef Wittmann. Befremdlich für
ihn ist die mangelnde Transparenz. Tatsächlich ist bisher nur ein
sehr kleiner Kreis in die Verhandlungen involviert. Die Verhandler,
die Regierungen, der US-Kongress, das EU-Parlament und die etwa 600
„Handelsberater“ in den USA. Erst seit kurzem dürfen die rund
630 Bundestagsabgeordneten unter Aufsicht die TTIP-Akten einsehen.
Anton Hofreiter, der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im
Bundestag, sagte danach: „Ich kann nur so viel sagen: Meine Skepsis
ist absolut bestätigt worden. Sie ist sogar noch deutlich größer.
Das Hochproblematische ist allerdings, dass ich Ihnen nichts darüber
berichten darf.“ Da die Auswirkungen alle angehen, fordert er daher
eine transparente öffentliche Debatte.
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