2007 steht der Rohbau.
Der Paulinerverein arbeitet weiter daran, nachdem der gesamte Komplex des Uni-Neubaus sehr nach Kirche aussieht, auch eine „richtige Kirche" daraus zu machen. Wohl ein einmaliger Vorgang: Eine Universität baut eine Kirche aus öffentlichen Mitteln. Am 13. Februar 2007 liest man in der „Leipziger Volkszeitung" dazu, dass der Thomaskirchen-Pfarrer Peter Amberg darauf bestehe, dass das zukünftige Gebäude Universitätskirche heißen müsse, denn „nichts erinnert an zerstörte Vergangenheit so sehr wie der Name...." Die als geistliches Zentrum der Uni konzipierte Universitätskirche habe nur dann Sinn, „wenn sie von der Universität als notwendiger Teil des Wissenschaftsbetriebes des 21. Jahrhunderts verstanden wird".Über diesen Artikel in der ZEIT hatte ich mich schon ziemlich geärgert. Da traf tatsächlich mangelnde Recherche mit Stimmungsmache zusammen.
Der Rektor der Universität Franz Häuser betont hingegen, die Planungen für das Paulinum besagten, dass es einen ausschließlich für Gottesdienste vorbehaltenen Teil mit Altar und großem Kirchenfenster an der Ostfassade geben solle mit Platz für über 100 Personen, der bei gegebenen Anlässen auch mit dem für die Aula vorgesehenen Teil zusammengeschaltet werden könne. Häuser verweist darauf, „dass die Universität in erster Linie dem Grundgesetz... verpflichtet sei. Auf diesen Fundamenten gründe sich das säkularisierte Staatswesen, das deshalb zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet sei." Es könne keine universitäre Aufgabe sein, alle ungeklärten Fragen vor Gott zu tragen.
Doch der Paulinerverein stichelt weiter. Im Mai 2008 lässt man die Katze aus dem Sack. Der ganze neu geschaffene Raum soll Kirche werden, mit Altar und Kanzel. Thomaskantor Christoph Biller: „Das Wichtigste aber ist, dass die Leipziger die Kirche annehmen und allsonntäglich füllen." Die Leipziger Bürger, zu etwa 80 Prozent konfessionsfrei, sollen also von der Aula der Universität Besitz ergreifen und sie zur Kirche umfunktionieren. Die Universität kann sich dann wohl um die Nutzung der gottesdienstfreien Zeit kümmern?
Wie könnte es anders sein, die „Kirchenbauer" treffen auf massive Medienunterstützung. Beispielhaft für tendenziösen Journalismus steht der Artikel „Die Angst vor der Kirche" von Evelyn Finger, der belegt, dass Diffamierung und Polemik immer noch effektiver sind als intellektuell redliche Argumentation. Hier einige Kostproben: Der Universitäts(-Kirchen-)Neubau wird zum „Symbolbau der wiedervereinigten Republik" erklärt, die gesprengte Unikirche, ein Stilmix verschiedener Epochen, wird zu „einer der kostbarsten Kirchen Europas", die Universität wolle „einen Akt politischer Wiedergutmachung sabotieren". Das „Geistlich/Geistige" wird zum „Garanten kritischer Vernunft und aufgeklärter Moral". Der Universität wird unterstellt, sie freue sich über die von Ulbricht initiierte Kirchensprengung. Es wird darauf hingewiesen, dass hier im Zentrum der Stadt „kein Kaufhaus entstehe, sondern ein Mahnmal von höchstem öffentlichem Interesse".
Und ich dachte, es entstünde ein neues Universitätsgebäude, und dieses braucht eine Aula, keine Kirche. Doch diese (Aula) ist nach Meinung der Autorin und der von ihr zitierten Kirchenbefürworter ein „schändliches Monument eines ‚steinzeitlichen Wissenschaftsoptimismus', das verhindert gehöre" und es habe den „Charme eines sowjetischen Standesamtes", wobei sie uns nicht darüber aufklärt, bei welcher Gelegenheit sie diesen besonderen Charme bereits auf sich wirken lassen konnte.
Das schlimmste ist ja wirklich, dass niemand eine Disneykirche a´la Frauenkirche in Dresden braucht und in Leipzig auch niemand will. Vielen Dank an die Bürgerstadt!
Das Zentrum hat zwei wunderschöne Kirchen, die - außer vielleicht zu den Motetten oder den Weihnachtskonzerten und -gottesdiensten immer ausreichend Platz bieten. Und ich begrüße ausdrücklich den Neubau einer katholischen Kirche im Stadtzentrum, genauso wie ich den Neubau einer Moschee dort begrüßen würde. Allerdings würde ich erwarten, dass den ästhetischen Ansprüchen an einen Neubau Genüge getan wird und nicht irgendwas Historisierendes gebaut wird.
Danke für den Hinweis auf diesen Artikel. Es ist wirklich schön, mal etwas anderes als die LVZ-Meinungsmache zu diesem Thema zu lesen.
AntwortenLöschenDisney-Kirche. Herrlich. V.a., dass noch andere genau den gleichen Gedankengang haben wie ich.
AntwortenLöschenHeldenstädtischer Gruß