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Notizen aus Leipzig

Gelesen: Millennium in Belgrad von Vladimir Pištalo

23. September 2011 Gepostet von Unknown 0 Kommentare

Belgrad im Jahre 1980. Eine Gruppe Jugendlicher verfolgt im Fernsehen die nationale Trauerfeier für den soeben verstorbenen Präsidenten Tito. Boris, Bane, Zora und Irina betrinken sich beim Anblick der ergriffenen Menge und begleiten die Szenen mit spöttischen und derben Kommentaren. Sie haben zu diesem kommunistischen Volkshelden kein Verhältnis und interessieren sich nur für ihre privaten Schicksale, ihre individuellen Träume und Wünsche. Eine neue Zeit ist angebrochen. In Belgrad brodelt eine innovative Musikszene, die ›Belgrader Neue Welle‹, deren Ziel und Kern in den Augen des Ich-Erzählers »die Eroberung von sich selbst« ist und mit der er sich voll identifiziert. »Ich konnte getrost sagen: Das, was hier passiert, ist ganz mein Ding. Meine Stadt ist endlich meine Stadt.« Doch alle Hoffnungen werden zunichte gemacht und Dämonen von Neid, Eifersucht und Nationalismus werden entfesselt. Ein Roman, der differenziert die Mechanismen beleuchtet, die den Krieg auslösten, und eine berührende Geschichte über Freundschaft und Liebe. - Soweit der Klappentext.

Es gibt einen Hintergrund, ich habe das Buch von H. geschenkt bekommen, und die Leseprobe war vielversprechend.
Leider kann ich mich aber den begeisterten Besprechungen nicht ganz anschließen. Auch wenn der Stil sehr schön ist, und die Kernerzählung, nicht nur Jugoslawien zerbricht, sondern auch eine scheinbar unverrückbare Freundschaft der fünf Helden, sehr gut ist, konnte ich mich nicht richtig reinfallen lassen. Wahrscheinlich lag es daran, dass alle seltsam entfernt blieben, vielleicht habe ich da andere Erwartungen an die Vorstellung und Einführung von Charakteren, sie wurden ja auch recht plastisch vorgestellt, aber...Was mich echt etwas gestört hat, ist, dass offenbar profunde Kenntnisse der Belgrader Stadtarchitektur notwendig sind.

Leseprobe
Ich saß da, an meinem Geburtstag, in einem Leben, das ich nicht kapierte, und ich hörte zu, wie die Glotze ein Resümee der Ereignisse zog: Zuerst wurde Titos Leichnam in einem speziellen Zug von Lublijana nach Belgrad transportiert. Dann wurde er in einem verschlossenen Sarg im jugoslawischen Parlament aufgebahrt. Mit ihrem Schmerz ringend, trugen zweihundert Volkshelden ihre höchsten Auszeichnungen am Sarg vorbei. Diesen Weg ging in den kommenden fünf Tagen jeder fünfte Jugoslawe. ›Schau mal diese Kolonnen‹, sagte ich zu Bane, während wir im Schatten einer Baumreihe gegenüber dem Parlament in der hell erleuchteten Stadt voll verstummter Menschen standen. ›Das Herz dieser Stadt ist momentan eine Leiche.
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Unknown
Liest gern und viel und schreibt auch darüber.

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