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Notizen aus Leipzig

Buch Lesen

Gelesen: Louis-Ferdinand Celine: Reise ans Ende der Nacht

11. November 2006 Gepostet von Unknown 0 Kommentare
Wohl nicht umsonst das Lieblingsbuch so vieler, und auch wenn ich mich damit fast schon in einen Massengeschmack einreiche, könnte es auch meins werden.Die Übersetzung, erst die zweite ins Deutsche, die überdies im Vergleich zur ersten von 1933 in Mährisch-Ostrau komplett ist, ist kongenial. Der Überdruss, die Suche, das abfällige Urteil über lalles und jeden - großartig. Daneben aber auch noch Witz und Verve. Was will man mehr. Über die antisemitischen Verfehlungen des Autors schreibt Phillipp Roth: Ich schalte das beim Lesen des Romans aus. Sicher schwierig, aber der einzig mögliche Weg.


Die ZEIT rezensiert die Übersetzung am 22. Mai 2003. Rezensent Andreas Isenschmid ist derart begeistert von Celines Roman, dass er zumindest für den "Augenblick eines geistigen Experiments" gewillt ist, die antisemitischen Schriften des französischen Autors, die dieser nach 1937 geschrieben hat, zu vergessen. Aufgrund dieser Texte habe man die Bücher von Celine bis heute nur mit "spitzen Fingern" anfassen mögen, meint der Rezensent in seiner eingehenden Besprechung, der dennoch das vorliegende Buch als "literarische Sprachrevolution" preist. Für ihn stellt es den "größten" Roman "aus dem Geist der Psychoanalyse" dar, und er meint, Freuds Lehre reiche bis in die "innerste Geheimzelle" des Buches. Die Lebensreise des Protagonisten, dem Medizinstudenten und späteren Arzt Bardamu, durch den Ersten Weltkrieg, psychiatrische Kliniken, französische Kolonien in Afrika, nach New York und zurück in die französischen Vorstädte versteht der Rezensent als Erkundung des von Freud beschriebenen "Todestriebes". Isenschmid meint, derart "bedrückend" und in dieser "enzyklopädischen Totalität" habe wohl noch nie ein Roman die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen beschrieben. Der Rezensent findet zwar, dass Celine, was seine antisemitischen Pamphlete angeht, ein "extrem widerwärtiger und vollkommen uneinsichtiger Kerl" sei, doch kommt er nicht umhin, diesen Roman als "makellos" zu preisen. Die Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel lobt Isenschmid als "fast makellos", und es ringt ihm einige Bewunderung ab, dass der Übersetzer dem "fiebrigen Grundton" Celines so "wunderbar nahe gekommen ist".

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Unknown
Liest gern und viel und schreibt auch darüber.

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