Heute sind Bücher vor allem ein psychotherapeutisches Instrument, wenn man so will eine Art gedruckte Selbstbehandlungs-Hilfe. Das war zwar schon früher nicht anders, doch damals glaubte man sogar körperliche Krankheiten damit lindern zu können. Wenn man den Umweg über die Selbstheilungs-Kräfte im Auge gehabt haben sollte, dann war auch dies nicht falsch. Manchmal aber kann man natürlich ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
Montesquieu beispielsweise empfahl in seinen Persischen Briefen Romane, Lebenserinnerungen und Lobreden als Abführ- und Brechmittel, philosophi-sche und theologische Schriften gegen Krätze, Grind, Liebeskrankheit und Schlaflosigkeit.
Wieland hielt seinen Roman Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva für ein Heilmittel gegen Hypochondrie, Milz-Krankheiten, Hysterie und Gicht.
Nach Jean Pauls Dr. Katzenberger's Badenreise (1809) können Lustspiele Lungengeschwüre, die englische Krankheit (Syphilis), Ekel oder Rheumatis-mus überwinden helfen. Vorsicht ist geboten vor Trauerspielen, hier drohen eher Leberverstopfung, Gelbsucht, Lungenerkrankungen und Darmkrämpfe...
In Samuel Warrens Erzählung Cancer (1830) liest die Patientin Liebesbriefe ihres Mannes, um die furchtbaren Amputationsschmerzen zu betäuben.
Und nicht nur das Lesen, auch das Schreiben wurde schon früh empfohlen, und zwar von Großen ihrer Zunft: Rilke, Goethe, Balzac und Proust verstanden ihr Schreiben als Selbstbehandlung, was sich unschwer in zahlreichen Selbsterfahrungshinweisen ausmachen lässt (klassisches Beispiel: Die Leiden des jungen Werther (1774) von J. W. v. Goethe). Nach Kafka, dem solche Gefühle erfahrungsgemäß nicht fremd waren, soll das Buch eine "Axt" sein für das "gefrorene Meer in uns". Und Joseph Conrad postuliert in seinem Der Nigger von der "Narzissus" sogar ein Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Menschen, und zwar nicht nur der Lebenden untereinander, sondern auch der Lebenden mit den Verstorbenen und der Lebenden mit den noch Ungeborenen.
Großartige Einführung in das Thema hier. Sind Bibliophile krank?
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