Wie Politik und Musik zusammengehen können
Die immer wieder empfehlenswerte Leipziger Pop Up Messe fördert alljährlich kleine Perlen der moderneren Musik zutage. Und auch für den älteren Musikfreund ist der Eiskeller dann immer mal wieder gern besuchtes Ziel. "I can't relax in Deutschland" im Rahmen der Pop Up 2005 zeigte
ein interessantes Lineup. Wenn nach Sinn und Unsinn der vorangehenden "Diskussion" gefragt werden sollte: Schwamm drüber, die Radikalantinationalen denken mir alle ein Spur zu schwarz-weiß. Das mögen andere anders sehen.
Doch am späteren Abend geben sich Räuberhöhle, Von Spar und The Robocop Kraus die Ehre. Mein abendlicher Favorit: Von Spar. Wenn man auch den Slogan "Geiz ist geil!" für schlimm hält und der Bandname einen sofort an diverse Discounter denken läßt, Von Spar machen sehr erfrischende Musik. Man meint die Gitarren der Gang of Four zu hören, aber genauso klingt es nach BretterElectro, Garage, Dub, Funk, hysterischem New Wave – klar, bei dem Gesang – House, R&B, you name it. Dieser Mix ist absolut tanzbar! Die aktuelle Platte vom Juli 2004 heißt „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“, und da stimmen auch die Texte. Allein die Titel der einzelnen Lieder sind sowohl Parolen, die sich im täglichen Diskurs anbringen lassen aber auch prima als T-Shirt-Aufdruck taugen. Kostprobe gefällig? "Bunsenwahrheiten, Schockwellen auf`s Parkett, Ist das noch populaer?, Die uneingeschraenkte Freiheit der privaten Initiative oder Eine Herde von Sparschweinen will gefuettert werden" sind einfach mal kleine Perlen. Aber auch in den Texten gibt es kleine Perlen. „Schritt für Schritt über den Tellerrand hinaus“ und „Ich rieche deinen kalten Schweiß, es könnte jeden treffen“: Ist das nun noch postmoderne Austauschbarkeit vor, oder aber Ausdruck linker Ratlosigkeit: Tanz den Hartz IV!
Natürlich, Von Spar sind politisch. Alle drei Bandmitglieder spielen noch in diversen anderen Punkprojekten, diese Sozialisation hat natürlich ihre Spuren hinterlassen. Zwischen Weltkritik und postmodernem Theorieblabla beziehen sie Position beziehen. "Wenn amerikanische Bands ein Unbehagen gegenüber ihrer Gesellschaft äußern, ist das völlig legitim«, erklärt Thomas Mahmoud (The Oliver Twist Band) in der intro vom 21.7.2004. »Merkwürdig ist aber, dass man hier in Deutschland die Amerikaner zum neuen Feindbild erklärt, aber keine Kritik mehr am eigenen Land, an dieser fiesen neoliberalen Politik äußert". Und dafür sind Von Spar angetreten.
Fazit: Thomas Mahmoud, Jan Philipp Janzen (Urlaub In Polen) und Christopher Marquez gelingt es Politik und Musik in einen überaus ansprechenden Zusammenhang zu bringen. Die Platte sollte nicht nur deswegen in keiner gepflegten Plattensammlung fehlen.
Wahrscheinlich müßig zu erwähnen, dass das Hamburger Label L’Age D’Or schon seit 15 Jahren großartige Popmusik veröffentlicht, „doch die Welt noch nicht bereit“ erkannten schon die Labelkollegen Tocotronic – leider.
Leider waren die Texte an dem Abend fast durchweg unverständlich. Aber der Beat pumpte, und die Leute tanzten. Etwas enttäuschend fand ich die ebenso angesagten, daran anschließenden The Robocop Kraus aus Nürnberg. Neue einfallsreiche, tanzbare, ein bisschen elektronische Rockmusik war das dann nicht mehr für mich.
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