Hatte gerade mal wieder Apitz Nackt unter Wölfen in der Hand und bisschen drin geblättert. Und dann lese ich den großartigen Essay vonn Adam Krzeminski im perlentaucher. Darin heißt es "Zwei Denkmäler illustrierten in der DDR den Gründungsmythos des "ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden": das Ehrenmal in Treptow und die Gedenkstätte in Buchenwald. Sie ist auf einem Plakat aus dem Jahr 1960 zu sehen, mit dem Wappen der DDR - Hammer und Sichel - im Hintergrund. Die Aussage des Plakats kommentierte die Aufschrift: "Wofür die Antifaschisten kämpften, ist in der DDR Wirklichkeit". Diesen Befreiungs- und Selbstbefreiungsmythos dokumentierten Denkmäler, Romane und Filme, unter denen "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz eine Hauptrolle spielte - die Geschichte der Rettung eines Kindes in Buchenwald durch die Widerstandsbewegung und der Selbstbefreiung des Lagers vor dem Anrücken der amerikanischen Truppen. Die Botschaft war eindeutig. Aber unwahr. Bei der Erforschung der Akten nach der Vereinigung Deutschlands stellte sich heraus, dass die Widerstandsbewegung in Buchenwald tatsächlich ein Kind rettete, aber nur deshalb, weil im Austausch dafür ein anderes ins Gas geschickt wurde. Also war auch der Widerstand mit Kollaboration in Berührung gekommen…"
Und das scheint nicht das erste Mal thematisiert zu sein. In einer Rezension lese ich, dass Buchenwald bewußt "aggregierten Symbol" wurde. "Nach der aufregenden Beweisführung des Verfassers spielte für die strategische Transformation des anfangs vielstimmigen, existentiell-offenen Diskurses der Überlebenden des KZs der 1947 in Dachau angestrengte Buchenwald-Prozeß eine entscheidende Rolle. Dieser stellte die kommunistischen "Funktionshäftlinge" — viele davon zu jener Zeit schon in Führungspositionen der DDR — unter Anklage und provozierte damit eine SED-offizielle Gegendarstellung, die zur Basis der DDR-Geschichtsschreibung wurde. Die "kanonische" Version machte aus den Kollaborateuren >Helden des antifaschistischen Widerstands< im Auftrag des Zentralkomitees der KPD; sie und nicht die Amerikaner — was bis dahin alle überlebenden Häftlinge bezeugt hatten — hatten angeblich im April 1945 das Lager befreit. Zahlreiche Veröffentlichungen, das Buchenwald-Denkmal, in Buchenwald vollzogene Rituale (Jugendweihe, Vereidigung zur Nationalen Volksarmee) und nicht zuletzt Bruno Apitz' Erfolgsroman Nackt unter Wölfen stützten und befestigten diese Deutung, abweichende Stimmen wurden unterdrückt. Der "Buchenwald"-Diskurs ist somit ein einprägsames Beispiel für einen auf Machtinteressen basierenden Deutungskanon." mehr
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